Welche Spielregeln braucht die Zukunft?

Ordnungspolitik, die Gestaltung und Durchsetzung des Regelrahmens für Wirtschaft und Gesellschaft, ist eine ständige Aufgabe, die in einer sich wandelnden Welt immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt ist. Aktuell gehören dazu der Klimawandel, die Digitalisierung mit neuen, mächtigen Marktteilnehmern und einer sich ändernden Arbeitswelt, oder die Bedrohung des Welthandels durch zunehmenden Protektionismus. Da diese Probleme globaler Natur sind, wäre es nötig und wünschenswert, dass globale politische Lösungen gefunden werden. Ordnungspolitik ist daher nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene als Werkzeug zur Lösung dieser Aufgaben gefordert.Ordnungspolitik kann beispielsweise einen Rahmen schaffen, in dem sich realistische Preise für Umweltressourcen und Umweltgüter herausbilden, die zu einem sparsameren Umgang mit diesen Ressourcen und Gütern anhalten. Dabei werden hauptsächlich zwei Instrumente diskutiert und eingesetzt:

 

Beim Emissionshandel sollen Unternehmen mit Emissionsrechten handeln können, die ihnen zu einem Preis zugeteilt werden. Damit sollen Unternehmen, bei denen eine CO2 Einsparung besonders kostenintensiv ist, solche Rechte von Unternehmen ersteigern können, bei denen dies kostengünstiger geschehen kann. Dadurch soll erreicht werden, dass eine politisch vorgegebene Gesamtreduktion zu den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erfolgen kann. Eine andere Möglichkeit ist die CO2-Steuer, die allen Emittenten, also von allen Unternehmen, aber etwa auch von allen Haushalten oder Autofahrern, denselben Preis pro Emissionseinheit auferlegt. Beide Instrumente setzen einen Anreiz, sich möglichst umweltfreundlich zu verhalten.

 

Nicht erst seit der Handelspolitik des US-Präsidenten Donald Trump steht die Idee eines freien Welthandels unter Druck. Nachdem seit Ende der 1940er-Jahre Importzölle im Rahmen des weltweiten Zoll- und Handelsabkommens GATT und später der WTO stetig abgebaut wurden, wird das Prinzip der Handelserleichterung zum gegenseitigen Nutzen zunehmend in Frage gestellt. Immer mehr Länder ergreifen protektionistische Maßnahmen und möchten mit Importzöllen die einheimische Wirtschaft schützen.

 

Digitalisierung und digitale Märkte stellen die Politik vor besondere Herausforderungen, da hier Grenzen und Gesetzesrahmen scheinbar verschwimmen. So wird das Urheberrecht bis heute immer wieder ausgehebelt, da es kein einheitliches globales Recht gibt, das den Schutz von geistigem Eigentum im Internet definiert. Mit Sorge wird auch die Größe vieler Internetkonzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon betrachtet. Sie besitzen weltweit enorme Marktanteile und haben dadurch zunehmend politischen Einfluss.

 

Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, einen ordnungspolitischen Rahmen auf globaler Ebene zu schaffen, der die Gefahren des digitalen Marktes bändigt ohne die mit ihm verbundenen Vorteile zu opfern.

 


Klimawandel und Energiewende

Ein Essay von Philipp Weber

 


Der Themenkomplex Klima- und Umweltschutz hat seit einiger Zeit eine herausragende Stellung in der öffentlichen Wahrnehmung inne. Seit dem erstmaligen öffentlichen Engagement der Klimaaktivistin Greta Thunberg am 20. August 2018 in Stockholm, hat sich eine internationale Protestbewegung entwickelt, die eine striktere Klimaschutzpolitik fordert. Die Bewegung ist international aktiv und vertritt unterschiedliche Gesellschaftsgruppen. In Deutschland ist sie besonders präsent durch die regelmäßigen Demonstrationen der Schülerbewegung „Fridays for Future“.


Der übermäßige Verbrauch begrenzt verfügbarer Ressourcen und der durch menschliches Verhalten beschleunigte Klimawandel sind hierbei seit längerer Zeit bekannt und standen allein in den letzten 20 Jahren regelmäßig im Zentrum der gesellschaftlichen und politischen Debatte. Dies schlug sich auch in politischen Maßnahmen nieder: 1997 nahm der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums der Finanzen ausführlich Stellung zu Überlegungen, Umweltsteuern zu einer zentralen und tragenden Säule des deutschen Steuersystems zu machen. Ab 1999 wurde unter dem Schlagwort der „Ökosteuer“ eine Besteuerung von Elektrizitätskonsum eingeführt und die Mineralölsteuer wurde zu einer umfangreicheren Energiesteuer umgewandelt und bis 2003 regelmäßig erhöht. Im Jahr 2000 ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft getreten und es ist seitdem mehrfach neugefasst und überarbeitet worden. Mit diesem Gesetz versucht Deutschland gezielt bestimmte Technologien der nachhaltigen und klimafreundlichen Stromproduktion zu fördern und am Markt zu implementieren. International verpflichteten sich 1997 die unterzeichnenden Staaten in dem verabschiedeten Kyoto-Protokoll erstmals völkerrechtlich bindend zu einer Reduzierung von Treibhausgasemissionen in der Umsetzungsperiode zwischen 2008 und 2012. Auf europäischer Ebene werden bestimmte Treibhausgasemissionen durch ein Zertifikathandelssystem, dem sogenannten EU ETS, erfasst. Dieses System wurde 2005 etabliert und ist derzeit in seiner dritten von bisher vier vorgesehenen Phasen. Die dritte Phase läuft Ende 2020 aus und Phase IV ist bisher für die Jahre 2021 bis 2030 vorgesehen. In dem Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten zu einer Reduzierung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, verbunden mit Anstrengungen, die Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Das Abkommen erfasst Maßnahmen und Ziele ab dem Jahr 2020. Eine wesentliche Motivation der öffentlichen Forderungen nach strengeren Klimaschutzmaßnahmen ist die Befürchtung, dass die bisher implementierten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Ökonomisch betrachtet stellt der vom Menschen beschleunigte Klimawandel eine Form von Marktversagen dar. Nutzer eines bestimmten Gutes (die Emittenten von Treibhausgasen) verursachen Kosten (Emission von Treibhausgasen, welche zu einer globalen Erwärmung führen), die in der Preisfindung am Markt nicht berücksichtigt werden. Da der Preis des betrachteten Gutes nicht alle hiermit verbundenen Kosten erfasst, wird das Gut zu günstig angeboten und der Konsument nutzt es auf exzessive Weise. Dieses Phänomen bezeichnen Ökonomen als negative externe Effekte – Walter Eucken beschreibt dieses Problem in seinen regulierenden Prinzipien als fehlenden Ausdruck in der Wirtschaftsrechnung. Die Ursache des Klimawandels ist also bekannt, sie kann ökonomisch abgebildet werden und die hierfür nötige Theorie ist in den Prinzipien Walter Euckens und der Freiburger Schule verankert. Vor diesem Hintergrund können die jüngsten politischen Maßnahmen im Sinne der Freiburger Schule evaluiert werden. Hierbei geht es um die Frage, ob die verabschiedeten Maßnahmen den Klimawandel wirksam eindämmen können und inwiefern dies ökonomisch nachhaltig geschieht, damit Klimaschutz und Wohlstand nicht gegeneinander ausgespielt werden.

 

Zur Vorbereitung weiterer Klimaschutzmaßnahmen beauftragte die Bunderegierung am 20. Juni 2019 den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage (umgangssprachlich: die fünf Wirtschaftsweisen) mit der Erstellung eines Sondergutachtens zur Bepreisung von Treibhausgasemissionen. Dieses Gutachten trägt den Titel „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“ und wurde am 12. Juli 2019 der Bundesregierung übergeben.

 

Die Ökonomen weisen zu Beginn des Gutachtens auf die Dimensionen der Energiewende hin. Die Umgestaltung einer gesamten Volkswirtschaft zu treibhausgasneutralen Wertschöpfungsketten ist ein umfangreiches Vorhaben, da die Wertschöpfung in modernen Volkswirtschaften auf vielfältige Weise von kohlenstoffhaltigen und emissionsverursachenden Energieträgern wie Kohle, Erdöl und Gas abhängt. Umso wichtiger ist die Beachtung der Kosteneffizienz. Oberstes Gebot einer zielführenden Klimapolitik sollte die Einsparung von CO2 dort sein, wo dies vergleichsweise einfach möglich ist. Die Verkündung von speziellen Zielen für einzelne Branchen oder die Forcierung politisch prestigeträchtiger Einzelprojekte ist nicht zielführend, das heißt, es gibt günstigere Alternativen, mit denen mehr Emissionen eigespart werden können.

 

Damit eine arbeitsteilige Gemeinschaft den betrachteten Schaden dort eingrenzt, wo es ihr am leichtesten fällt, sollte im Idealfall der gesamte Schadensumfang erfasst werden. Im Bereich der Klimapolitik bedeutet dies, dass der Klimawandel eine globale Herausforderung ist, es für das Klima unerheblich ist wo auf der Erde ein Tonne CO2 eingespart wird und dass kleinteilige Lösungen weniger kosteneffizient sind als weitgefasste, internationale Lösungen.


Nach diesen Vorbemerkungen gilt es zu überlegen, wie Verhaltensänderungen einzelner Personen und Unternehmen für ein klimafreundlicheres Wirtschaften und Zusammenleben kosteneffizient koordiniert werden können. Hier betont der Sachverständigenrat, dass dies nur über die Festsetzung eines Preises für Emissionen funktionieren kann. Der Preis ist nötig, da hierdurch derjenige, der das Klima schädigt, die von ihm verursachten Kosten in Form eines Preises trägt. Den externen Effekten wird somit ein monetärer Preis gegeben. Dieser Preis kann auf direkte oder indirekte Weise ermittelt werden. Der direkte (explizite) Preis wird dabei durch eine Besteuerung von Emissionen festgelegt, der indirekte (implizite) Preis entsteht in einem Zertifikathandel.


Der Unterschied zwischen einer Emissionssteuer und einem Zertifikathandelssystem besteht darin, dass bei einer Steuer der Preis für die Emission durch den Staat festgelegt wird und die zu diesem Preis „konsumierte“ Menge (also der Umfang der Emissionen) bildet sich am Markt. Ist diese Steuer günstig, werden die wenigsten ihr tägliches Verhalten ändern und weiter dieselben Kaufentscheidungen treffen wie bisher. Ist die Steuer besonders hoch, verteuern sich alle Güter, bei deren Herstellung oder bei deren Konsum Treibhausgase freigesetzt werden enorm. So überlegt sich jeder Einzelne bei seiner Kaufentscheidung zweimal, ob er dieses teure Produkt oder vielleicht doch lieber eine günstigere (weil CO2-ärmere) Alternative kaufen soll.


Beim Zertifikathandel definiert der Staat die Gesamtmenge an Emissionen, die ausgestoßen werden darf. Diese Gesamtmenge teilt er auf eine bestimmte Anzahl an Zertifikaten auf, beispielsweise für jede Tonne CO2-Emission ein Zertifikat. Nur wer ein entsprechendes Zertifikat besitzt, darf die Menge an Treibhausgasen ausstoßen. Die Zertifikate müssen die Emittenten beim Staat kaufen. Je weniger Zertifikate der Staat verkauft, desto wertvoller ist ein einzelnes Zertifikat und desto höher ist der Preis. Der Preis bildet sich hierbei also am Markt. Wenn die Zertifikate knapp und somit besonders wertvoll werden und es für ein Unternehmen gleichzeitig billiger ist, in emissionsarme Technologie zu investieren als weiterhin die teuren Zertifikate zu kaufen, kann dieses Unternehmen mit den nicht verbrauchten Zertifikaten handeln, sie also an jemanden verkaufen, der sie besonders dringend braucht und einen entsprechend hohen Preis dafür zahlt. Somit wird beim Zertifikathandel ebenfalls die Emission dort eingespart, wo dies am einfachsten ist, bzw. wo die neue, emissionsfreie Technologie am günstigsten ist. In beiden Fällen, bei der Steuer und dem Zertifikathandel, wird die Emission bepreist. Dies motiviert alle Emittenten, nach günstigeren und somit umweltfreundlicheren Alternativen zu suchen. Die unsichtbare Hand des Marktes lässt klimafreundliche Maßnahmen dort entstehen, wo vergleichsweise günstig viele Treibhausgase eingespart werden können. Erhöht der Staat nun weiter den Preis, sei es durch Steuererhöhung oder durch Verknappung der Zertifikate, weichen die Emittenten Schritt für Schritt auf klimafreundliche Alternativen aus und die unsichtbare Hand transformiert die gesamte Volkswirtschaft in eine klimaneutrale Wirtschaft.

Wenn durch beide Instrumente dasselbe Ziel erreicht werden kann, stellt sich die Frage, welches gewählt werden sollte: Ist eine Emissionssteuer oder der Zertifikathandel die bessere Wahl? Hierzu gibt es keine eindeutige Antwort. Beide Instrumente haben Vor- und Nachteile und müssen vorsichtig gegeneinander abgewogen werden. Der Sachverständigenrate präferiert letztendlich ein Zertifikathandelssystem.


Dieses System hat den Vorteil, dass ein bestimmtes Ziel zur Verringerung des Ausstoßes gesetzt werden kann und die ausgegebenen Zertifikate schrittweise verringert werden können. Dies garantiert Planungssicherheit für die Emittenten und stellt gleichzeitig sicher, dass zukünftige Klimaschutzziele sicher erreicht werden. Eine Steuer müsste hingegen regelmäßig erhöht werden, wenn das Mengenziel verfehlt wird. Dies erfordert eine deutlich höhere politische Willenskraft. Vor allem in Wahlkampfzeiten fällt es der Politik jedoch schwer, Steuern zu erhöhen, selbst wenn dies zur Erreichung der Klimaziele nötig wäre. Ein weiterer Vorteil des Zertifikathandels liegt darin, dass Regelungen die national, für Deutschland getroffen wurden, einfacher an das europäische System angegliedert werden können. Deshalb empfiehlt der Sachverständigenrat, das europäische System beizubehalten, bestehende Mängel dort auszubessern und sich in der nationalen Politik insbesondere auf jene Emissionen zu konzentrieren, die bisher nicht auf europäischer Ebene erfasst sind. Diese Emissionen sollten mittelfristig in den europäischen Zertifikathandel aufgenommen werden. Die Wirtschaftsweisen betonen, dass für eine Herausforderung, die die ganze Welt betrifft, ein weltweiter Preis für Treibhausgasemissionen das ideale Instrument wäre. Da ein solches Vorhaben zurzeit allerdings politisch unrealistisch ist, sollte die Politik versuchen, den Preis auf der höchstmöglichen Ebene festzusetzen. Daher eignet sich insbesondere das europäische Zertifikathandelssystem.

 

Im Übrigen betont der Sachverständigenrat, dass alle staatlichen Eingriffe in den Preismechanismus eine kosteneffiziente Energiewende erschweren. Wenn einzelne Produkte oder Handlungen subventioniert oder durch andere Instrumente ein zweites Mal verteuert werden, werden die Marktteilnehmer nicht mehr dort CO2 einsparen, wo dies besonders günstig ist. Stattdessen versuchen sie, einer doppelten Verteuerung auszuweichen oder eine Subvention mitzunehmen. In der Vergangenheit wurde dies besonders deutlich beim Zusammenspiel zwischen dem bereits geltenden europäischen Zertifikathandel und dem deutschen EEG. Das Zertifikathandelssystem EU ETS erfasst bereits europaweit alle Emissionen, die bei der Stromproduktion und in der Schwerindustrie verursacht werden. Ein wesentlicher Anteil am europäischen Stromverbrauch entfällt auf Deutschland. Das EEG subventioniert die Produktion von Wind- und Solarstrom in Deutschland. Der gesteigerten Stromproduktion (durch mehr Wind- und Solarstrom) stand eine konstante Nachfrage gegenüber und somit wurde weniger Strom aus fossilen Energieträgern nachgefragt. Die Kohlekraftwerkbetreiber brauchten nun ihre Zertifikate nicht mehr und verkauften diese in großer Menge an andere Emittenten (beispielsweise in der Schwerindustrie). Das gestiegene Angebot an Zertifikaten sorgte dafür, dass der Preis für Zertifikate stark sank und es plötzlich für alle Emittenten sehr günstig war, die gleiche Menge oder gegebenenfalls sogar noch mehr, Treibhausgase auszustoßen als vorher. Im Ergebnis hat der Staat zwei sehr teure Technologien (Wind- und Solarstrom) subventioniert, ohne dass andere Emittenten ihr Verhalten verändert haben. Insgesamt wird also kein oder nur sehr wenig CO2 eingespart. Viele klimafreundliche Technologien, die außerhalb der Stromproduktion hätten eingesetzt werden können, wurden nicht installiert, da die betroffenen Unternehmer durch den Preisverfall der Zertifikate weiterhin günstig ihre alte Technologie verwenden konnten. Der Staat hat nicht das Wissen, um zu entscheiden, welche Technologie besonders leicht eingesetzt werden kann und welche besonders günstig für Unternehmen ist. Wenn er nun einzelne Branchen und Technologien auswählt und diese subventioniert, senkt er unabsichtlich den Preis für Emissionen in anderen Industrien und verhindert dort klimafreundliche Investitionen.

 

Die jüngsten politischen Impulse zur Weiterentwicklung der Energiewende folgten im Herbst 2019 mit dem Klimaschutzprogramm 2030. Im Zentrum dieses Klimaschutzprogramms steht das Ziel, Treibhausgasemissionen, die nicht im europäischen Zertifikathandel berücksichtigt werden, in einem nationalen Zertifikathandelssystem zu erfassen. Der Preis der ausgegebenen Zertifikate wird für die Jahre 2021 bis 2025 vorgegeben. 2021 beträgt der Preis für die Emission von einer Tonne CO2 10 Euro und in den folgenden vier Jahren steigt der Preis stufenweise auf 35 Euro je Tonne CO2. Für das Jahr 2026 wurde ein Preiskorridor zwischen 35 und 60 Euro definiert. Innerhalb dieses Korridors soll sich der Preis frei am Markt bilden und im Jahr 2025 soll überprüft werden, inwiefern Höchst- und Mindestpreise ab dem Jahr 2027 nötig sind. Der relativ geringe Einstiegspreis (zum Vergleich: Im EU ETS lag der durchschnittliche Preis für die Emission einer Tonne CO2 im Jahr 2019 bei knapp unter 25 Euro), die lange Preisbindung und die Festlegung von Höchst- und Mindestpreisen entspricht zwar nicht den ursprünglichen Vorschlägen des Sachverständigenrates. Unter Berücksichtigung, dass es für die große Koalition schwierig war, sich politisch zu einigen, ist dieses Instrument jedoch insgesamt eher positiv zu bewerten. Neben diesem vergleichsweise überzeugenden Ansatz stehen im Klimaschutzprogramm 2030 jedoch über 60 Einzelmaßnahmen, von denen die meisten einer kosteneffizienten Energiewende entgegenstehen und aus ordoliberaler Sicht, also aus Sicht der Freiburger Schule, kaum zu rechtfertigen sind.


Insbesondere die fortgeführte Förderung von ausgewählten Technologien und die zwanghafte Erreichung von Emissionszielen in bestimmten Sektoren verhindert eine kosteneffiziente Energiewende. Der Staat kann nicht wissen, ob es gesamtwirtschaftlich leichter ist eine Tonne CO2 im Verkehrssektor, durch eine Wohnhaussanierung oder durch die Nutzung eines neuen Produktionsprozesses einzusparen. Der Staat versucht in diesem Klimaschutzprogramm, die Energiewende im kleinsten Detail zu managen und er glaubt, die Zukunftstechnologie besser einschätzen zu können als diejenigen, die sie täglich nutzen werden. Dies birgt die inhärente Gefahr in sich, dass der Staat durch Subventionen neue Marktteilnehmer wachsen lässt, die ein Produkt (Beispiele: Solarzellen, E-Autos, ausgewählte Gebäudeisolationen) herstellen, das im Endeffekt ohne Subventionen gar nicht markt- und wettbewerbsfähig ist. Können ein Produkt oder eine gesamte Branche sich mittelfristig nicht selbstständig im Markt halten, ist es dauerhaft auf staatliche Hilfe angewiesen und die Energiewende wird unnötig verteuert. Sie trägt sich ökonomisch nicht selbst und der Staat macht sich von Sonderinteressen einzelner Unternehmen und Branchen abhängig. Darüber hinaus verzerren solche individuellen Förderungen, wie oben beschrieben, das Preissignal des Zertifikathandels und günstige, ökonomisch nachhaltige und klimafreundliche Investitionen werden an anderer Stelle unterbunden.


Wenn der Staat von Einzelmaßnahmen nicht ablassen kann, sollte er sich auf die Bereitstellung öffentlicher Güter in ausreichender Quantität und Qualität konzentrieren. Im Rahmen der Energiewende kann dies einen Ausbau der Schieneninfrastruktur (es sei betont, dass es sich hierbei um die Infrastruktur, jedoch nicht um den operativen Betrieb eines Bahnunternehmens handelt!) bedeuten oder eine ausgeweitete Förderung der Grundlagenforschung.

 

Diese Kritik an der derzeitigen Klimapolitik der Bundesregierung steht im Einklang mit Euckens konstituierenden- und regulierenden Prinzipien und der Freiburger Schule im Allgemeinen. Der Ordoliberalismus erkennt an, dass der Markt für sich genommen nicht unfehlbar ist. Es ist die Aufgabe des Staates, dem Markt einen Ordnungsrahmen zu geben, der ungewollte „Auswüchse“ beschneidet. Dies legitimiert jedoch keinen Eingriff in konkrete Wirtschaftsprozesse seitens des Staates. Das Gesamtergebnis wird günstiger sein, wenn es den Einzelnen überlassen bleibt, ihre eigenen Interessen in freier Entscheidung zu verfolgen.
Bei der Umsetzung der Energiewende im Sinne der Freiburger Schule geht es nicht darum, ökonomische Interessen gegen Klima- und Umweltanliegen abzuwägen. Es geht darum, einen Weg aufzuzeigen, mit dem sich die festgesetzten Klimaziele bestmöglich, das heißt günstig und in einem angemessenen Zeitraum, erreichen lassen.