Die Covid-19 Pandemie: Ordnungspolitik in Ausnahmezeiten

Ordnungspolitik bedeutet, dass politisches Handeln grundsätzlich regelgeleitet, also durch Regeln beschränkt sein soll. In außerordentlichen Krisensituationen – wie der aktuellen Corona-Pandemie – kann es aber erforderlich sein, dass Regierungen manche Regeln, an die sie in Normalzeiten gebunden sind, außer Kraft setzen dürfen. Dabei geht es zum einen um die Aufhebung ansonsten geltender persönlicher und wirtschaftlicher Freiheitsrechte und zum anderen um die Möglichkeit, ansonsten unzulässige wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen.

In die erste Gruppe fallen etwa von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Corona Pandemie ergriffene gesundheitspolitische Maßnahmen, wie die Einschränkung der Versammlungsfreiheit, die Schließung von Kitas und Schulen, oder die Schließung von Restaurants, Hotels, Freizeit- und Kultureinrichtungen und teilweise des Einzelhandels.

In die zweite Gruppe fallen die wirtschaftspolitischen Sondermaßnahmen, die die Bundesregierung zur Milderung der durch die Pandemie und die Lockdowns entstandenen wirtschaftlichen Schäden ergriffenen hat. Beispielsweise haben Unternehmen, Selbständige und Freiberufler finanzielle Unterstützung bekommen, wenn sie Einkommensausfälle hatten. Solche Hilfsmaßnahmen gab es auch für Arbeitnehmer; sie haben Kurzarbeitergeld bekommen. So wurde etwa die Lufthansa als besonders großes und bedeutendes Unternehmen mit insgesamt 9 Milliarden Euro unterstützt. Aber auch kleinere Unternehmen und Selbständige konnten von steuerlichen Erleichterungen profitieren. Für alle Produkte und Dienstleistungen wiederum wurde die Umsatzsteuer gesenkt.   

Die Möglichkeit, in außergewöhnlichen Krisenzeiten Regeln außer Kraft zu setzen, die dem Regierungshandeln in Normalzeiten Beschränkungen auferlegen, bedeutet jedoch nicht, dass damit politische Handlungsträger von jeglicher Regelbindung freigestellt wären. Das ordnungspolitische Grundprinzip regelgebundener Politik gilt weiter, auch wenn es auch an die Ausnahmebedingungen angepasst werden muss.

Gerade in Krisenzeiten stehen Regierungen unter einem besonders hohen Handlungsdruck. Interessensgruppen – wie Wirtschaftsverbände oder Gewerkschaften – können öffentlichkeitswirksam versuchen, ihre Sonderinteressen durchzusetzen. Auch Politikerinnen und Politiker sind in diesen Zeiten besonders versucht, ihre Macht und ihren Einfluss zu vergrößern. In dieser Lage muss etwa sichergestellt sein, dass die ergriffenen Maßnahmen für alle betroffenen Gruppen gelten – Beispiele dafür sind die Senkung der Umsatzsteuer oder steuerliche Erleichterungen, die für alle Unternehmen gelten. Ein Beispiel für eine Sonderbehandlung, von der nur einzelne Interessensgruppen profitieren, ist die Kaufprämie für Autos.

Um die Krise zu bewältigen, hat der Staat seine Ausgaben kurzfristig und außerplanmäßig massiv erhöht. Gleichzeitig sind die Steuereinnahmen gesunken, da das Wirtschaftswachstum eingebrochen war. Beides zusammen hat dazu geführt, dass die Staatsverschuldung in Deutschland deutlich angestiegen ist. Eigentlich wäre das durch die Regel der Schuldenbremse verboten. Die Schuldenbremse als ordnungspolitisches Instrument, das sogar im Grundgesetz verankert ist, sieht aber für solche Krisen eine Ausnahmeklausel vor, sodass die Politik angemessen reagieren kann.